erzählt...
Mit dem St. Katharinenspital entstand in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein weitläufiger Hospitalkomplex mit Pfarrkirche, Krankensälen, Kapellen, Friedhof, Klausurbereich ‒ vermutlich mit Kreuzgang ‒, Getreidekasten, Lagerkellern, Scheunen, Ställen Verkaufsläden und vielem mehr. Die Verwaltung des Hospitals und die Pflege der Kranken lag ursprünglich in den Händen einer Bruderschaft, die nach der Regel des hl. Augustinus lebte.
Das große Siechenhaus (= Infirmerie) betrat man direkt von der Steinernen Brücke aus. Dort standen lange Reihen von Betten für die Kranken und Bedürftigen bereit, die Obdach, Verpflegung und
Kleidung erhielten.
Es war die Zeit Kaiser Friedrichs II. und seiner Kanzler Konrad IV. und Siegfried – beide nacheinander Bischöfe von Regensburg –, in der die politischen und rechtlichen Grundlagen zur Entwicklung
der Reichsstadt Regensburg und des Spitals an der Steinernen Brücke gelegt wurden. Regensburg erlebte eine glanzvolle Zeit.
Der anhaltende Konflikt zwischen Kaiser und Papst führte in der Stadt zum erbitterten Kampf der Anhänger des Papstes gegen die des Kaisers, ein Streit, in dem das Katharinenspital zum lokalen Brennpunkt wurde. Es war auch die Zeit der Kreuzzüge und Ketzerverfolgungen, aber ebenso die eines Franz von Assisi und einer heiligen Elisabeth von Thüringen sowie der sich vor allem in den Städten ausbreitenden religiösen Bewegungen. In diesem Zeitraum entwickelte sich das St. Katharinenspital für einige Jahrzehnte zu einer der leistungsfähigsten Hospitalanlagen in Mitteleuropa, wurde dann aber, wie die Stadt selbst, von den wirtschaftlich prosperierenden Zentren, wie etwa Nürnberg, Augsburg und München, überflügelt.
Dies wieder aufzufangen bedurfte einer großen jahrzehntelangen Leistung.
Die Aufnahmekapazität des Regensburger Spitals erreichte Ende des 13. Jahrhunderts bis zu 400 Personen. Diese relativ hohen Belegzahlen überraschen auf den ersten Blick, so dass sich die Frage nach vergleichbaren Einrichtungen stellt. Speziell für das Hochmittelalter fehlen jedoch aussagekräftige Referenzobjekte, sieht man einmal von den Belegzahlen des Johanniterspitals in Jerusalem (2000 Personen) oder des Hộtel Dieu in Paris (900 Personen) ab. Gleichwohl nahm die Stadt Regensburg bis weit ins 13. Jahrhundert eine Sonderstellung im südostdeutschen Raum ein. Die Stadt lag an wichtigen Fernhandels- und Pilgerrouten, die ersten Kreuzzüge führten über Regensburg und die Gründerbischöfe des Spitals – Konrad IV. und Siegfried – verfügten über Kenntnisse der Entwicklungstendenzen in Italien und Frankreich. Die Wirtschaftskraft der Stadt und die internationalen Kontakte der Kleriker und Kaufleute, so scheint es zumindest, machten ein derart ambitioniertes Spitalprojekt erst möglich.
Über die medizinische Versorgung in den Hospitälern nördlich der Alpen fließen die Quellen nur spärlich. Insbesondere den an den Spitälern tätigen Laienbruderschaften, die die Pflege der Kranken besorgten, ist heilkundiges Wissen zuzuschreiben.
Mit Dr. Hans von Eger wird im Katharinenspital im Jahre 1458 – und dies erstmals in einem Spital des deutschen Sprachraums ‒ ein Arzt erwähnt. Damit lässt sich in Regensburg eine frühe Professionalisierung der medizinischen Versorgung in Hospitälern erkennen. Vor dem Dreißigjährigen Krieg fiel die medizinische Versorgung der Spitalinsassen in die Zuständigkeit des Stadtphysikus, der in Regensburg für seine Dienste pro Jahr eine Pauschale von 20 Gulden nebst Naturalleistungen in Weizen und Korn empfing. Für die tägliche Versorgung der Kranken auf der Schar- und in der Brechenstube war der Spitalbader zuständig.
Direkt von der Brücke aus führte ein frühgotisches Doppelportal in das Siechenhaus bzw. dessen Vorhalle. Den Mittelpfeiler des Portals zierte eine lebensgroße Steinplastik des Spitalgründers – Konrads IV. von Frontenhausen.
Seit dem 13. Jahrhundert war Katharina von Alexandria neben Maria die am meisten verehrte Heilige und wurde von den Gläubigen bei Krankheiten aller Art angerufen. Das St. Katharinenkloster am Berg Sinai war seit alters her ein beliebtes Pilgerziel und seit dem 10. Jahrhundert Ruhestätte der Gebeine der Heiligen.
Elisabeth von Thüringen wurde wegen ihres Einsatzes für die Kranken und Bedürftigen 1235 und damit wenige Jahre vor Fertigstellung der Spitalkirche heiliggesprochen.
Wie man sich den Alltag in einem Siechenhaus vorstellte, das zeigen die wenigen Abbildungen aus den Spitälern in Paris, Brügge, Florenz oder Siena. Im Siechenhaus des St. Katharinenspitals standen lange Reihen von Betten nebst zwei Altären ‒ einem Elisabeth- und einem Heiliggeistaltar. Bei der Aufnahme eines Kranken in das Katharinenspital hatte dieser zunächst die Beichte abzulegen und zu kommunizieren, bevor ihm ein Bett zugewiesen wurde. Diese geistliche Versorgung war mit einer hygienischen Basispflege verbunden, die mit der Forderung nach Licht, Luft, sauberem Wasser, einfacher Krankenkost und umfassender Beobachtung der Kranken zu umschreiben ist. Der Tagesablauf der Spitalbruderschaft von Regensburg und wohl auch derjenige der Kranken ‒ soweit dies deren Gesundheitszustand zuließ ‒ folgte dem einer klösterlichen Gemeinschaft.
Auf dem einst unwirtlichen Gelände neben der Steinernen Brücke entstand ein weitläufiger Gebäudekomplex an einem der Hauptverkehrswege nach Regensburg.
Die Nähe der Spitalanlage zum Donauufer erforderte eine aufwendige und nicht minder kostspielige Fundamentierung. Eine vieljochige Gewölbekonstruktion hob das Siechenhaus und die angrenzende Katharinenkirche über das Hochwasserniveau hinaus, so dass man die beiden Gebäude direkt von der Brückenfahrbahn aus betreten konnte. Bei der Errichtung der Gewölbekonstruktion kamen den Bauherren die im Brückenbau gesammelten Erfahrungen zugute.
Obgleich die Bausubstanz der Spitalanlage in Kriegs- und Krisenzeiten immer wieder schwer gelitten hatte, ist eine Rekonstruktion der mittelalterlichen Spitalanlage möglich. Als Grundlage für die Rekonstruktion dienen die historische Bausubstanz, die Schriftquellen und die Bilddokumente, insbesondere die Chronik des Spitalschreibers Ulrich Obser (15. Jahrhundert).
Um 1430 beschloss der Rat der Reichsstadt angesichts der in die Oberpfalz vorrückenden Hussiten den nördlichen Brückenkopf mit Graben, Futtermauer und Rundtürmen zu befestigen. Dazu wurden die Gebäude zu beiden Seiten des Brückenkopfs auf einer Breite von etwa 30 Metern abgetragen. Innerhalb kürzester Zeit fielen die Spitalgebäude direkt an der Steinernen Brücke der Spitzhake zum Opfer: das waren der östliche Teil der Infirmerie, die Katharinenkirche, ein Wirtschaftsgebäude und zwei kleinere Spitalhäuser mit fünf Verkaufsläden.
Das große Wirtschaftsgebäude des Spitals verfügte im Unterschoss über drei Gewölbekeller zur Lagerung von Wein, Brot und Fleisch, im Erdgeschoss über zwei Refektorien (Speisesäle) – eines für die Herren und eines für das Personal – sowie eine dazwischenliegende Kammer zum Trocknen von Fleisch und anderen Lebensmitteln. Im Obergeschoss lagen viele gute Kammern für das Personal des Spitals (familia), wie etwa Schmiede, Köche oder Halmhauer.
Über dem Siechenhaus lag das Dormitorium (schlaffhaus) mit vielen guten Kammern für Priester, Güterpröpste, Gäste und Pfründner, parallel dazu ein weiterer Krankensaal, der mit
der Heiliggeistkapelle identisch gewesen sein dürfte. Das Kernstück der mittelalterlichen Spitalanlage bestand demnach aus zwei von Ost nach West verlaufenden Saalbauten unterschiedlicher Länge –
Siechenhaus und Heiliggeistkapelle –, die in Spitzenzeiten bis zu 400 Personen beherbergten. Unter dem Siechenhaus verlief der so genannte Spitalkanal (aquae ductus), der einst
eine vierrädrige Getreidemühle antrieb, die auch das Malz für die Brauerei schrotete. Westlich an das Siechenhaus schlossen sich die sogenannte Weiberstube und das Brauhaus an, die sich beide
einer genauen Datierung entziehen.
Auf dem Spitalanger zwischen dem Nordarm der Donau und dem Spitalkanal lagen das Spitalbad, das Waschhaus und eine Zugvorrichtung (Antwerch) für
die donauaufwärts fahrenden Schiffe.
Der Rückbau der Spitalanlage im Jahre 1430 fiel in die Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs der Reichsstadt. Auch veränderte sich im Spätmittelalter das
Stiftungsverhalten der Bürger, weg von der Unterstützung der großen Hauptspitäler hin zu deutlich spezialisierteren Einrichtungen. Das endgültige Aus für das
traditionelle Hospital mit seinem funktionalen Nebeneinander von Krankenhaus, Alten- und Pflegeheim brachte das frühe 17. Jahrhundert, als der ehemalige Krankensaal, die so genannte Schar, in
eine evangelische Kirche umgewandelt wurde.
Nach den tiefgreifenden Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges und erneut denjenigen der napoleonischen Zeit übernahm das St. Katharinenspital ausschließlich Aufgaben als Alten- und Pflegeheim. Architektonisch wirkte sich dies durch die Umwandlung der großen Säle in Mehrbettzimmer aus. So standen den Pfründnern im 18. Jahrhundert sieben beheizbare Zimmer mit jeweils sechs bis sieben Betten zur Verfügung.
Nach der Brandkatastrophe des Jahres 1809 baute Spitalmeister Wolfgang Sperl das Spital in seinen heutigen Umrissen auf. Seit dieser Zeit wurden Altenheim, Brauerei und Gaststätte mehrfach umgebaut und erweitert.
Dem sozial-karitativen Gedanken blieb das St. Katharinenspital gemäß dem Willen seines Stifters treu und bietet den Bürgerinnen und Bürgern bis heute Heimplätze inmitten der Altstadt von Regensburg.
Literatur