Mit dem Spitalareal von Regensburg blieb ein mittelalterlicher Komplex von europäischem Rang erhalten.
Jedes Gebäude hat dabei seine eigene Geschichte und erst alle zusammen ergeben den Reiz des verwinkelten Spitalviertels.
Legende
1 = Seniorenheim St. Katharina
2 = Spitalverwaltung
3 = Brauerei
4 = Brauereiladen / Verkaufsbüro
5 = Brauereihof
6 = Brauereigaststätte "Spitalgarten" mit Biergarten
7 = Spitalkirche St. Katharina
8 = Spitalarchiv
9 = hauseigene Küche
10 = Katharinenbrunnen
11 = Gewölbesaal / "Cafeteria"
12 = BrückenbasarKatharinenbrunnen als optischer Mittelpunkt der Spitalanlage
Künstler des Katharinenbrunnens: Sandro Herbrand
Foto: Alexandra Birkenseer
Dr. Artur Dirmeier
Architektur im Dienste der Karitas - Die Gebäude des St. Katharinenspitals in Regensburg
Mit dem St. Katharinenspital entstand in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein weitläufiger Hospitalkomplex mit Pfarrkirche, Krankensälen, Kapellen, Friedhof, Klausurbereich ‒ vermutlich
mit Kreuzgang ‒, Getreidekasten, Lagerkellern, Scheunen, Ställen Verkaufsläden und vielem mehr. Die Verwaltung des Hospitals und die Pflege der Kranken lag ursprünglich in den Händen einer
Bruderschaft, die nach der Regel des hl. Augustinus lebte. Das große Siechenhaus (=Infirmerie) betrat man direkt von der Steinernen Brücke aus. Dort standen lange Reihen von Betten für die
Kranken und Bedürftigen bereit, die Obdach, Verpflegung und Kleidung erhielten. (...)
In diesem Zeitraum entwickelte sich das St. Katharinenspital für einige Jahrzehnte zu einer der leistungsfähigsten Hospitalanlagen in Mitteleuropa, wurde dann aber, wie die Stadt selbst, von
den wirtschaftlich prosperierenden Zentren, wie etwa Nürnberg, Augsburg und München, überflügelt.
Bald nach dem Erwerb der ersten Grundstücke in den Jahren 1213/1215 dürften die Baumaßnahmen am „hospitale novum“ begonnen haben. Bereits
1224 sprechen die Schriftquellen von dem „hospitale in fine pontis Ratispone,“ 1241 berichtet Propst Robert von St. Mang von zweckmäßigen und anmutigen Gebäuden – commodis
und decoris edificiis – und wenige Jahre später folgte die Einweihung der Katharinenkirche.
Wie die zahlreichen Ablassbriefe von Päpsten, Kardinälen und Bischöfen vermuten lassen, zogen sich die Bauarbeiten noch über mehrere Jahrzehnte hin. Auf dem einst unwirtlichen Gelände neben der Steinernen Brücke entstand ein weitläufiger Gebäudekomplex an einem der Hauptverkehrswege nach Regensburg.
Im Siechenhaus sorgte eine Laienbruderschaft zusammen mit den Franziskanern und Dominikanern für das körperliche und seelische Wohl einer beständig wachsenden Zahl von armen
Kranken, Bedürftigen und Pilgern. Wie man sich den Alltag in einem Siechenhaus vorstellte, das zeigen die wenigen Abbildungen aus den Spitälern in Paris, Brügge, Florenz oder Siena. Im
Siechenhaus des St. Katharinenspitals standen lange Reihen von Betten nebst zwei Altären ‒ einem Elisabeth- und einem Heiliggeistaltar. (...)
Die Nähe der Spitalanlage zum Donauufer erforderte eine aufwendige und nicht minder kostspielige Fundamentierung. Eine vieljochige Gewölbekonstruktion hob
das Siechenhaus (65 x 20 Meter) und die angrenzende Katharinenkirche über das Hochwasserniveau hinaus, so dass man die beiden Gebäude direkt von der Brückenfahrbahn aus betreten konnte. Bei
der Errichtung der Gewölbekonstruktion kamen den Bauherren die im Brückenbau gesammelten Erfahrungen zugute. Obgleich die Bausubstanz der Spitalanlage in Kriegs- und Krisenzeiten immer wieder
schwer gelitten hatte, ist eine Rekonstruktion der mittelalterlichen Spitalanlage möglich. (...)
Damals beschloss der Rat der Reichsstadt angesichts der in die Oberpfalz vorrückenden Hussiten den nördlichen Brückenkopf mit Graben, Futtermauer und Rundtürmen zu befestigen. Dazu wurden die Gebäude zu beiden Seiten des Brückenkopfs auf einer Breite von etwa 30 Metern abgetragen.(...)
Innerhalb kürzester Zeit fielen die Spitalgebäude direkt an der Steinernen Brücke der Spitzhake zum Opfer: das waren der östliche Teil der Infirmerie (domus magna), die Katharinenkirche (ecclesia s. Catharinae), ein Wirtschaftsgebäude (domus magna) und zwei kleinere Spitalhäuser (duae domunculae) mit fünf Verkaufsläden (ergasteia). (...)
Das große Wirtschaftsgebäude des Spitals verfügte im Unterschoss über drei Gewölbekeller zur Lagerung von Wein, Brot und Fleisch, im Erdgeschoss über
zwei Refektorien (Speisesäle) – eines für die Herren und eines für das Personal – sowie eine dazwischenliegende Kammer zum Trocknen von Fleisch und
anderen Lebensmitteln. Im Obergeschoss lagen viele gute Kammern für das Personal des Spitals (familia), wie etwa Schmiede, Köche oder Halmhauer.
Als Ersatz für das zerstörte Wirtschaftsgebäude errichteten die Bürger zwei Stuben, eine für die Herren und eine für die Bauern (pauvolckh), darunter drei
Verkaufsläden mit Blickrichtung auf die Vorstadt (ad praeurbium). Auf einem Plan des Reichskammergerichts aus dem Jahre 1656 sind diese Ladengeschäfte – deren Lage übrigens
bis heute unverändert geblieben ist – gut zu erkennen. Summarisch berichtet Spitalschreiber Ulrich Obser über die Abbruchmaßnahmen an der Pfarrkirche, dem Siechenhaus und dem
Wirtschaftsgebäude.
Die Kirche St. Katharina bildete seinen Angaben nach mit sechs Altären das spirituelle Zentrum der Spitalanlage. Dort wurden den Gläubigen die zahlreichen Ablassbriefe
gezeigt und ein Großteil der alljährlich über 1000 Messen gehalten. Der Beschreibung nach handelte es sich um einen dreischiffigen Sakralraum mit Empore, am ehesten
vergleichbar mit dem Innenraum der Dompfarrkirche St. Ulrich. Die Empore verband das Siechenhaus im Süden der Spitalkirche mit dem großen Wirtschaftsgebäude im Norden ‒ domum magnam versus
aquilonem. (...)
Direkt von der Brücke aus führte ein frühgotisches Doppelportal in das Siechenhaus bzw. dessen Vorhalle. Den Mittelpfeiler des Portals zierte eine lebensgroße Steinplastik
des Spitalgründers – Konrads IV. von Frontenhausen –, der seine rechte Hand zum Segensgruß erhob. Von den beiden Tympanons des Doppelportals blickten Katharina von Alexandrien und Elisabeth
von Thüringen auf die Besucher des Spitals, wie eine spätere Zeichnung von J. Bichtel wahrscheinlich macht. Seit dem 13. Jahrhundert war Katharina neben Maria die am meisten verehrte Heilige
und wurde von den Gläubigen bei Krankheiten aller Art angerufen. Das St. Katharinenkloster am Berg Sinai war seit alters her ein beliebtes Pilgerziel und seit dem 10. Jahrhundert Ruhestätte
der Gebeine der Heiligen. Elisabeth von Thüringen wurde wegen ihres Einsatzes für die Kranken und Bedürftigen von Papst Gregor IX. 1235 und damit wenige Jahre vor Fertigstellung der
Spitalkirche heiliggesprochen. Die beiden Portalfiguren haben somit symbolhaften Charakter und stehen für den Schutz der eintretenden Kranken und Pilger. Zugleich stellen sie eine Verbindung
zum Innenraum des Siechenhauses und der Kirche her, wo der Besucher auf einen Elisabeth- und einen Katharinenaltar traf.
Über dem Siechenhaus lag das Dormitorium (schlaffhaus) mit vielen guten Kammern für Priester, Güterpröpste, Gäste und Pfründner, parallel dazu ein weiterer
Krankensaal, der mit der Heiliggeistkapelle identisch gewesen sein dürfte. Das Kernstück der mittelalterlichen Spitalanlage bestand demnach aus zwei von Ost
nach West verlaufenden Saalbauten unterschiedlicher Länge – Siechenhaus und Heiliggeistkapelle –, die in Spitzenzeiten bis zu 400 Personen beherbergten.
Unter dem Siechenhaus verlief der so genannte Spitalkanal (aquae ductus), der einst eine vierrädrige Getreidemühle antrieb, die auch das Malz für die Brauerei schrotete.
Westlich an das Siechenhaus schlossen sich die sogenannte Weiberstube und das Brauhaus an, die sich beide einer genauen Datierung entziehen.
Der Klausurbereich der Brüder und Schwestern entzieht sich einer genaueren Lokalisierung. Als Ort des Rückzugs und der Besinnung dürfte er in engem räumlichen Kontext zu einer der beiden
Spitalkirchen –St. Katharina oder St. Johann – gestanden haben.(...)
Das Siechenhaus und die Pfarrkirche St. Katharina wurden von zahlreichen Wirtschaftsgebäuden flankiert.
Auf dem Spitalanger zwischen dem Nordarm der Donau und dem Spitalkanal lagen das Spitalbad, das Waschhaus und eine Zugvorrichtung für die donauaufwärts fahrenden Schiffe. Dieses als Antwerch bezeichnete Instrument wurde 1486 von Mathias Forster abgebrochen und die Holz- und Eisenteile zum Nutzen der Stadt Regensburg verwendet.
Wiederum nördlich an die Hl. Geistkapelle schließt das sogenannte „Krondorf“ an, das auf eine umfangreiche Stiftung der Adelsfamilie der Krondorfer zurückgeht und ursprünglich als Seelhaus diente. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs waren dort Archiv, Schreibstube, Ratsstube sowie die Wohnung des Hausschreibers untergebracht.
Der Nordwesten des Spitalareals war der Landwirtschaft vorbehalten und diente mit seinen Ställen, Scheunen und Städeln der täglichen Versorgung mit Nahrungsmitteln. Dort stand auch der alte Spitalkasten, den der Dreißigjährige Krieg als Brandstatt hinterlassen hat.
Der Rückbau der Spitalanlage im Jahre 1430 fiel in die Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs der Reichsstadt. Auch veränderte sich im Spätmittelalter das Stiftungsverhalten
der Bürger, weg von der Unterstützung der großen Hauptspitäler hin zu deutlich spezialisierteren Einrichtungen – wie etwa den Bruderhausstiftungen des Stephan Notangst und des Hans Kastmayer
oder den Almosenstiftungen der Reich, Schroflein oder Liskirchner.
Das endgültige Aus für das traditionelle Hospital mit seinem funktionalen Nebeneinander von Krankenhaus, Alten- und Pflegeheim brachte das frühe 17. Jahrhundert, als der ehemalige Krankensaal, die so genannte Schar, in eine evangelische Kirche umgewandelt wurde.
Nach den tiefgreifenden Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges und erneut denjenigen der napoleonischen Zeit übernahm das St. Katharinenspital ausschließlich Aufgaben als Alten- und Pflegeheim.Architektonisch wirkte sich dies durch die Umwandlung der großen Säle in Mehrbettzimmer aus. So standen den Pfründnern im 18. Jahrhundert sieben beheizbare Zimmer mit jeweils sechs bis sieben Betten zur Verfügung. Nach der Brandkatastrophe des Jahres 1809 baute Spitalmeister Wolfgang Sperl das Spital in seinen heutigen Umrissen auf.
Seit dieser Zeit wurden Altenheim, Brauerei und Gaststätte mehrfach umgebaut und erweitert.
Dem sozial-karitativen Gedanken blieb das St. Katharinenspital gemäß dem Willen seines Stifters treu und bietet den Bürgerinnen und Bürgern Heimplätze inmitten der Altstadt von Regensburg.
Literatur